Das Handbuch widmet sich der italienischen Gesangskunst der Zeit zwischen 1600 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, die in weiten Teilen Europas als vorbildhaft und stilbildend rezipiert wurde. Ihre technischen Prinzipien, ästhetische Maximen des Stimmklangs und des Ausdrucks, ihre vokalen Gestaltungskonventionen und aufführungspraktischen Parameter wurden in Vorworten zu Notendrucken, in Traktaten und Lehrschriften erörtert. Der Band, der sich an eine breite Zielgruppe aus Wissenschaft, musikalischer Praxis und Gesangspädagogik richtet, bietet eine repräsentative, kommentierte Auswahl dieser Quellen, die als historische Zeugnisse für das Phänomen des »Canto italiano« wertvolle Einblicke in eine längst verklungene und doch bis heute faszinierenden Gesangskultur vermitteln.
Die Mitverantwortung des Sängers an der Weiterentwicklung der schriftlich niedergelegten Komponistenidee wird in den Abhandlungen als zentraler Bestandteil der italienischen Gesangspraxis beschrieben. In seiner Ausbildung sollte in ihm die Fähigkeit entwickelt werden, durch stilvolle, spontane dem Ausdruck der Vorlage verpflichtete Veränderungen den sängerischen Vortrag einmalig und unwiederholbar zu machen. Dazu galt es für ihn, wie die Schriftquellen zeigen, sich ein großes Repertoire an vokalen Stilmitteln und Techniken anzueignen, von der »Messa di voce« über Auszierungen der Vokallinie bis hin zu Eingriffen in den Rhythmus, das Tempo und die Anwendung besonderer Stimmfarben. Obwohl die Abhandlungen alle diese Phänomene nur beschreiben und nicht akustisch vermitteln können, liefern sie wertvolle Hinweise, um Gesangskompositionen – von Giulio Caccini bis Giuseppe Verdi – aus der historischen Perspektive heraus besser zu verstehen.